168 Seiten • Verlag Boer
Herausgegeben von Dietmar Kamper und Christoph Wulf
Inhalt
Eine internationale und transdisziplinäre Studie zur historischen Anthropologie
Die Beiträge dieses Bandes stammen von einem Symposion, das in New York im Herbst 1986 in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin, der Columbia University New York (Sylvère Lotringer), dem Goethe-Institut, New York und der Stiftung zur Förderung der Philosophie, New York, stattfand.
Aus der Einleitung:
Die »Welt« war niemals mehr als ein Bild, eine regulative Idee, ein normatives Konzept für die Planung und Durchsetzung der Weltgesellschaft. Ihre lange Zeit verdeckte, nun offene Beziehung zur politischen Gewalt, die notfalls bis zum Äußersten gehen würde, läßt das Konzept prekär werden. In Anbetracht der unzulässigen Abstufung von »erster«, »zweiter«, »dritter« und »vierter« Welt ist es höchste Zeit, nach Möglichkeiten einer Überwindung der These von der »einen« Welt zu suchen, die ein Dominanzgefälle eurozentrischer Macht hinterlassen hat. Wer jedoch heute weiterhin von Einheit spricht, spricht von Zerstörung. Am Ende des 20. Jahrhunderts wird der Niedergang der großen Vision des 19. Jahrhunderts allenthalben sichtbar. Nicht so sehr das wirkliche Ende der Welt (obwohl die Machthaber, um ihrer Obsession treu bleiben zu können, es wahrscheinlich in Kauf nehmen) als das imaginäre: dieses Besessensein vom letzten Augenblick, an dem jedermann teilnehmen möchte; die immense Beschleunigung aller Tendenzen, welche auf den Ruin der Verhältnisse hinauslaufen; die kursierenden Omnipotenzphantasien im »Machen« des neuen Menschen, die immer deutlicher als destruktiver Wille sich manifestieren; die Anbetung der Mittel bei völliger Desorientierung in den Zwecken; die Unfähigkeit, wirklich etwas gegen die offensichtliche und eingesehene Wendung ins Schlimme zu tun; die Ästhetisierung des Schreckens als Versuch (immerhin), den Verhängnissen einer weltweiten Katastrophe zuvorzukommen – all das scheint ein unausweichliches Ende der »Welt« zu annoncieren.
Die Beiträge des Bandes betrachten diesen schleichenden Prozeß der Auflösung einer regulativen Idee vom Punkt eines zweiten Futurs aus, so als ob es bereits gelungen sei, die Verheerungen der Welt-Bild-Ordnung hinter sich zu lassen. Dabei geht es darum, das, was in den Fundamenten ohnehin geschieht, zu beschleunigen, um Zeit zu gewinnen für eine planetarische Perspektive, für eine historische Anthropologie und eine historische Kosmologie, die methodologisch der inneren Vielheit des Menschen und seinen äußeren Welten gewachsen sind.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Edgar Morin
Annäherungen an das Nichts
Christoph Wulf
Die Zeitlichkeit von Weltbildern und Selbstbildern
Richard Harvey Brown
Telos und Transformation gesellschaftlicher Bedeutungssysteme – Einem neuen Weltbild entgegen
Gunter Gebauer
Der Ort von Anfang und Ende. Über Höhlen und ihre Symbolsysteme
Hans-Dieter Bahr
Eschatastrophe oder: Die letzte Wendung
Jean Baudrillard
Die magersüchtigen Ruinen
Peter Sloterdijk
Das Andere am Anderen. Zur philosophischen Situation der Alternativbewegungen
Dieter Lenzen
Verschwinden der Erwachsenen: Kindheit als Erlösung
Dietmar Kamper
Zwischen Simulation und Negentropie. Das Schicksal des Individuums im Rückblick auf das Ende der Welt
Paul Virilio
Das letzte Vehikel