Folge: 63 | Erstausstrahlung am 13. Mai 2012 | Die Gäste: Michael Krüger (Verleger und Schriftsteller) und Dr. Martin Walser (Schriftsteller)
Das Thema
Das „Philosophische Quartett“ verabschiedet sich. Nach 10 Jahren und 63 Sendungen beschließen die Philosophen und Moderatoren Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski die ZDF-Sendereihe mit dem Thema: „Die Kunst des Aufhörens“. Ihre Gäste sind der Schriftsteller Martin Walser und der Verleger und Autor Michael Krüger. Aller Anfang ist schwer – und angefangen wird unablässig, denn die moderne Gesellschaft setzt auf stetiges Wachstum. Aufhören dagegen gilt fast immer als Scheitern. Es fehlt an der Kunst, etwas zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Zumeist ist das Aufhören von außen bestimmt, wie es zahlreiche Beispiele aus der Politik, dem Showbusiness oder dem Sport zeigen. Wie kann ein selbstbestimmtes Aufhören gelingen? Wie kann man das Gespür für die angemessene Dauer entwickeln und die Entschlossenheit zeigen, im richtigen Moment selbst den Schlusspunkt zu setzen? Wohnt dem Aufhören vielleicht sogar „ein Zauber inne“ wie Hermann Hesse es für jeden Anfang konstatiert? Kann Aufhören also nicht nur Verlust, sondern auch Befreiung bedeuten? Über diese Fragen, die nicht nur das Politische, sondern vor allem das Menschlich-Existenzielle berühren, unterhalten sich Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit dem 85-jährigen Martin Walser und dem 69-jährigen Michael Krüger, zwei herausragende Literaten, denen das Thema nicht fremd sein dürfte. Im Anschluss an die letzte Ausgabe des „Philosophischen Quartetts“ lässt das ZDF unter dem Titel „10 Jahre lautes Nachdenken“ um 1.15 Uhr noch einmal die Höhepunkte der Sendereihe Revue passieren. Zahlreiche Auftritte und Ausschnitte aus verschiedenen Sendungen rufen in 90 Minuten die wichtigsten Debatten ins Gedächtnis: von der ersten Sendung am 20. Januar 2002 über Angst und Unsicherheit nach den Anschlägen vom 11. September 2011 mit Bergsteigerlegende Reinhold Messner und Friedenspreisträger Friedrich Schorlemmer, über kritische Fragen rund um den Irakkrieg mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, bis hin zum Gipfeltreffen der Groß-Feuilletonisten Fritz J. Raddatz und Joachim Fest zum Thema Intimität und Öffentlichkeit. Noch einmal erleben die Zuschauer die Betroffenheit des Schriftstellers und Augenzeugen Josef Haslinger und des ZEIT-Chefredakteurs Giovanni di Lorenzo, die über die Tsunami-Katastrophe des Jahres 2004 sprechen. Der Rückblick zeigt, wie Bernhard Bueb durch seinen Auftritt im „Philosophischen Quartett“ zum Bestseller-Star eines strengen Erziehungsratgebers wurde, und wie der äthiopische Prinz und Bestsellerautor Asfa-Wossen Asserate den Zuschauern erklärt, was gute Manieren sind. Die Schriftstellerin Monika Maron beschreibt, was Glück bedeutet, und Ex-Außenminister Joschka Fischer fragt sich, ob Imperien die Welt retten können. (Text: ZDF)
Die Gäste
Michael Krüger, 1943 in Wittgendorf bei Zeitz geboren, ist heute einer der wichtigsten Verleger in Deutschland. Er wuchs in Berlin auf, wo er nach dem Abitur eine Lehre als Verlagsbuchhändler im Herbig Verlag abschloss. Neben seiner Lehre studierte er als Gasthörer Philosophie an der Freien Universität Berlin. 1962 ging er nach London, wo er für drei Jahre als Buchhändler arbeitete. Wieder drei Jahre später, 1968, wurde er Verlagslektor beim Carl Hanser Verlag in München, den er von 1986 an als Literarischer Leiter weiter profilierte und seit 1995 als sein Geschäftsführer erfolgreich als einen der großen, nicht nur belletristischen deutschen Verlage zu höchster Geltung und Wirksamkeit brachte. Ausweis dafür ist, nicht zuletzt, die große Zahl an Literatur-Nobelpreisträgern in seinem Programm.
Nicht geringeren Ruhm erntete Krüger bis heute als Schriftsteller und Dichter. Vor allem als Lyriker hat er sich einen Namen gemacht, seit 1976 und 1978 mit „Reginapoly“ und „Diderots Katze“ seine beiden ersten Gedichtbände erschienen, der viele folgten, zuletzt „Unter freiem Himmel“ (2007) und im Jahr darauf ein Sammelband seiner Lyrik, „Schritte, Schatten, Tage, Grenzen. Gedichte von 1976 bis 2008“. Auch als Erzähler und Romanautor ist er hervorgetreten. Mit „Die Turiner Komödie“ legte er 2005 nach „Der Mann im Turm“ (1990), „Ende des Romans“ (1991), „Himmelfarb“ (1993) und „Die Cellospielerin“ (2000) seinen fünften Roman vor. Er ist Herausgeber der Literaturzeitschrift „Akzente“, zweifacher Ehrendoktor (Universitäten Bielefeld und Tübingen), Officier des Arts et des Lettres, Mitglied der großen Akademien in München, Darmstadt, Mainz und Berlin und vielfach mit literarischen Preisen ausgezeichnet, darunter der Peter-Huchel-Preis (1986), der Ernst-Meister-Preis der Stadt Hagen (1994), der Prix Médicis Etranger (1996), der Große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (2004), der Mörike-Preis (2006) und der Joseph-Breitbach-Preis (2010). Michael Krüger lebt in München.
Martin Walser, 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren, ist einer der bedeutendsten und zugleich produktivsten Schriftsteller Deutschlands. Seine Laufbahn begann er, nach Weltkriegsteilnahme, Abitur, Studium und Promotion (über Kafka), im Süddeutschen Rundfunk, für den er Reportagen und Hörspiele verfasste, als Redakteur arbeitete und das Fernsehen des Senders aufzubauen half. Von 1953 an war er regelmäßig Teilnehmer an den Diskussionen der Gruppe 47, der er 1955 für „Templones Ende“ seine erste literarische Auszeichnung verdankte. Nach dem Erfolg seines ersten Romans „Ehen in Philippsburg“ (1957) ließ er sich mit seiner Familie in Nußdorf am Bodensee als freier Schriftsteller nieder, wo er noch heute lebt. Seither erschienen fünfundfünfzig Jahre lang im Suhrkamp Verlag, nach dem Tod des Verlegers Unseld bei Rowohlt, in beeindruckender Kontinuität bald dreißig Romane, darunter „Halbzeit“ (1960), „Das Einhorn“ (1966), „Brandung“ (1985), „Meßmers Gedanken“ (1985), „Verteidigung der Kindheit“ (1991), „Ein springender Brunnen“ (1998), „Ein liebender Mann“ (2008) und „Muttersohn“ (2011), die Novellen „Ein fliehendes Pferd“ (1978), „Dorle und Wolf“ (1987) und „Mein Jenseits“ (2010), zuletzt der Band „Über Rechtfertigung. Eine Versuchung“ (2012); dazu in all den Jahren Theaterstücke und Essays.
Öffentliches Aufsehen, zum Teil Skandal, erregte er mit seinen in den sechziger Jahren geäußerten Sympathien für die DKP, 1988 mit seinem Eingeständnis, unter der Teilung Deutschlands zu leiden. Seine Rede aus Anlass der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels trug ihm 1998 wie vier Jahre später sein satirischer Roman „Tod eines Kritikers“ den Vorwurf des Antisemitismus ein, gegen den sich Walser freilich vehement verwahrte.
Die Auszeichnungen des Schriftstellers sind Legion: Er ist Träger des Großen Verdienstkreuzes mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Wasserburg, Mitglied im Orden Pour le Mérite, vielfacher Ehrendoktor. Außer den schon genannten literarischen Auszeichnungen erhielt er unter vielen anderen bedeutenden Anerkennungen den Büchner-Preis (1981), die Carl-Zuckmayer-Medaille (1990), den Hölderlin-Preis der Stadt Homburg (1996), den Corine-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten (2008); 2009 wurde ihm von The People’s Literature Publishing House China der Weishanhu-Preis zugesprochen. Zu seinem fünfundachtzigsten Geburtstag würdigte die FAZ Martin Walser als „unseren Gewährsmann für Liebe, Ehe, Glaube und deutsche Befindlichkeit seit einem halben Jahrhundert.“