Wie deutsch soll Deutschland sein?

Das Problem der Einwanderung von Ausländern in Deutschland ist in zweifacher Hinsicht eine Schicksalsfrage der Nation. An der nur zäh vorankommenden Integration ist nicht nur der über lange Zeit konzeptionslose Umgang mit den so genannten Gastarbeitern schuld und die Annahme, dass sich Integration über Jahre automatisch ergeben werde. Hinderlich für eine Einwanderungsgesellschaft ist auch, dass wir Deutsche uns nur schwer zu einem Selbstgefühl durchringen können. „Das ist aber“, so Peter Sloterdijk, „Voraussetzung dafür, Menschen aus anderen Kulturkreisen zu integrieren“. Deutschland hat allmählich Abschied genommen von „Multikulti“, das sich zunehmend als Lebenslüge und unbrauchbares, klassenloses Utopia erwiesen hat. Viele Bürger registrieren mit Skepsis den stillen Vormarsch des Islam in unserem Land. 15,3 Millionen Ausländer – in der Mehrheit Türken – leben unter uns. Ihre Integration in unseren Staat ist die zentrale Herausforderung der Gesellschaft. Warum tun sich die Deutschen so schwer mit der Integration? Warum ist immer noch das Gefühl unterentwickelt, dass Einwanderer eine Bereicherung unserer Gesellschaft sein können? Darüber diskutieren im „Philosophischen Quartett“ die Moderatoren Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit zwei Zuwanderern: der Sozialwissenschaftlerin und prominenten Frauenrechtlerin Necla Kelek, die in der Türkei geboren wurde, sowie dem Schriftsteller Maxim Biller, der in einer jüdischen Familie in Prag aufwuchs. Der soziale Konfliktstoff lässt sich leicht an ein paar beunruhigenden Fakten ablesen. Die Sozialhilfequote bei den Deutschen liegt bei etwa 2,5 Prozent, bei den in Deutschland lebenden Ausländern hingegen bei rund 9 Prozent. Und: bei den 15- bis 29-jährigen Deutschen sind derzeit etwa 8 Prozent ohne Ausbildung, bei den ausländischen Jugendlichen jedoch rund 30 Prozent. Bei einem derartigen Missverhältnis darf eine Hochrechnung durchaus als alarmierend empfunden werden, der zufolge im Jahre 2015 der Ausländeranteil unter den Jugendlichen in deutschen Großstädten 50 Prozent ausmachen wird. Viel zu lange hat es die Bundesrepublik versäumt, aktiv die Bildungschancen der Migranten zu fördern, um damit überhaupt eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen. Trotz der spürbaren Anstrengung der Regierung, den Migrantinnen und Migranten mit Hilfsprogrammen und Dialog-Angeboten die Aufnahme zu erleichtern, will die wechselseitige Annäherung von Mehrheitsgesellschaft und Migranten nicht glücken. Der Prozess der Absonderung hat zu Ghettobildung und Parallelgesellschaften geführt; das Kopftuch ist eines der bewusst gesetzten Abgrenzungssymbole, so Peter Sloterdijk. Viele Zuwanderer tun sich schwer, die deutsche Sprache zu lernen. Dabei ist erwiesen, dass Sprachkenntnisse stärker als alles andere für die Integration ausschlaggebend sind. Sicher ist jedenfalls, dass der Wunsch, die deutsche Sprache zu lernen, ein Beweis für die Integrationsfähigkeit ist. So lässt sich auch der mit einer heftigen Diskussion begleitete Moschee-Bau in Köln interpretieren. Als Integrationsanstrengung und als hoffnungsvolle Aussage der Eingewanderten: Wir wollen sesshaft werden! (Text: ZDF)