Bayreuther Assoziationen
1 „Oh wer erzählt uns die ganze Geschichte der Narkotika! – es ist beinahe die Geschichte der „Bildung“, der sogenannten höheren Bildung!“ Nietzsches gelehrter Seufzer, mit Blick auf das Theater gesprochen, 1882 publiziert, gehört zu den skizzenhaft gebliebenen großen Sätzen, die auf ihre Entwicklung so lange warten mußten, bis schließlich der günstige Augenblick verpaßt war. Gehemmt wurde die Entfaltung von Nietzsches Intuition ohne Zweifel durch das kulturweit lautstarke Echo auf den sinnverwandten, sehr viel grobschlächtigeren Ausspruch, mit welchem Marx 1844 die Religion als das Opium des Volkes bezeichnete hatte. Hätte man die beiden Sätze rechtzeitig nebeneinander oder übereinander gelegt, was hätte die Kulturwissenschaft für einen Sprung nach vorn vollziehen können! Man würde bemerkt haben, daß beide Beobachtungen aus der gleichen Matrix stammen. Sie gehören, die eine wie die andere, in das nach-metaphysische Zwielicht des 19. Jahrhunderts, in dem sich die Idee und die Materie auf neue Weise miteinander einließen. Eine unerhörte Toxikologie der Zivilisation kündigte sich an, prekär und ihrerseits alles andere als ungiftig. Vergiften, zersetzen, denken: Das alte Zusammengesetzte, das wir jetzt ironisch „Kultur“ …