Autor: Peter Sloterdijk

An der Pforte der Bedeutsamkeit

Philosophie als Zivilisationspädagogik Aus «der blaue reiter» Journal für Philosophie, Ausgabe 25 (1/2008) Herr Sloterdijk, Sie zählen zu den wenigen Philosophen, die auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind. Worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück? Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube an den Erfolg oder seinen Anschein nur widerwillig oder, wenn Sie wollen, gar nicht. Die kulturelle Konstellation ist nicht mehr so, dass eine literarische oder eine philosophische Stimme, die unverkennbar hochkulturell gefärbt ist, in der heutigen Medien- und Kulturlandschaft wirklich erfolgreich sein kann. Im heutigen Milieu hat das Auseinanderdriften der populärkulturellen und hochkulturellen Felder ein solches Maß an Entfremdung zwischen den Bereichen hervorgerufen, dass es Grenzgänger kaum noch geben kann. Ja, dass überhaupt noch eine Art Verkehr stattfindet, ist schon das Erstaunliche, und das liefert wohl die Begründung für das, was Sie meinen Erfolg nennen. Aber sehen wir die Dinge aus der Nähe an: Wenn man von einem philosophischen Buch knapp 40.000 Exemplare verkauft, wie es zum Beispiel bei meinem vorletzten Buch Zorn und Zeit der Fall war, ist es zwar nach den Kriterien des …

Am Medienhimmel

Aus dem Buch «Medienmenschen. Wie man Wirklichkeit inszeniert.».  Jens Bergmann und Bernhard Pörksen (Hrsg.), SOLIBRO-Verlag Münster (2007) „Ein echter Star verwandelt jede Umwelt in ein Publikum, sagt Peter Sloterdijk. Mit Jana Kühle und Sugárka Sielaff spricht der Philosoph über das Denken im Fernsehen und die Produktion von Skandalen.“

„Wir leben in einer Frivolitätsepoche“

Ein Gespräch mit dem Philosophen Peter Sloterdijk über die Finanzmarktkrise Herr Sloterdijk, Ihr Buch „Im Weltinnenraum des Kapitals“ beschreibt die globale Ökonomie im Bild der Seefahrt. Ist das, was wir gegenwärtig erleben, ein gigantischer Schiffbruch? Tatsächlich hat das schwebende Kapital für seinen Risikobegriff das Bild des Schiffbruchs. Der war schon ein Mittel der Kapitalvernichtung in früheren Globalisierungsjahrhunderten. Man schickte Schiffe hinaus, von denen man wusste, dass sie unter einem enormen Havarierisiko segeln. Bis heute lässt sich die Denkfigur des «Return on Investment» nautisch darstellen. Es ist die Vorstellung, dass die Schiffe, die man in den Ozean entsandt hat, auch wieder zurückkehren. Das Geld läuft um die Erde und kommt vermehrt wieder am Ausgangspunkt an. Was den Unternehmer betrifft, so steht er gewissermassen am Ufer und schaut in den Risikoraum hinaus. Die Vorsicht ist ja eigentlich die Unternehmertugend par excellence. Aber die moderne Gesellschaft beruht darauf, dass man das Risiko bejaht. Viel Geld ist in den Untiefen der Derivate und Hypotheken versenkt worden. Man müsste darüber nachdenken, ob die Metapher des Schiffbruchs für das, was heute mit grossen Vermögen geschieht, wirklich so handfest ist. Man hört ja die gut begründete …

Komparatisten des Glücks

P. Sloterdijk / P. Pantel: Über Mangelfiktionen, Reichtumsmärchen und die Politik der Großzügigkeit Herr Sloterdijk, wir haben zum Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit, Armut und Wohlstand Interviews geführt mit Wirtschafts- und Sozialexperten, Zukunftsforschern und Literaten, mit Peter Glotz zum Beispiel, Alexander Kluge und Hans-Olaf Henkel – allesamt eher unabhängige Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen.

Versuch über das Leben der Künstler

Text für Sigmar Polke Andersgläubige – Verschwender – Fälle – Einwohner Ausstellungskatalog Sigmar Polke, Stedelijk Museum, Amsterdam 1992 Sie kommen von weit her, aus schwülen Felsendörfern und bösen Marktflecken, wo die Feste verfallen sind und die Verwünschungen regieren. Vor dreitausend Jahren hoben sie zuerst den Kopf, früher als die übrigen. Sie spürten, daß etwas Neues in der Luft lag: anders als alle ihre Vorfahren werden die Menschen in Städten zusammenleben – die Dörfer werden nicht die ganze Zukunft für sich haben. Die seelischen Räume dehnen sich aus, als wollten sie für größere Welten Platz schaffen. Von den Hügeln herab leuchten königliche und bürgerliche Blicke den erweiterten Weltraum aus. Feldherren schauen so und Schamanen, die hinter den Horizont sehen. Noch sind die Städte nicht erbaut, aber in den Augen der Menschen geht schon die Geräumigkeit auf, die sich mit Städten füllen wird. Die Propheten und Gründer wussten es zuerst – von den Städten aus gedacht und gesehen wird die Welt erst das Ganze, Große, Größte werden. In ihren Visionen erscheint ein Menschentypus, den in das neue …